JensBlog
JensBlog
Hier wie angekündigt die Fortsetzung aus der Anstalt. „Schule zum Kotzen“ - oder wie Gewalt legitimiert wird!“, damit gelang der erste Einblick.
Zwei Wochen später sitzen wir also wieder zusammen. Die Juristen haben unser pädagogisches Betriebskapital weiter eingeschmolzen. Wir dürfen nur noch „Du,du, du, das geht aber gar nicht!“ sagen und uns ´n paar soziale Be(t)reuungsaufgaben ausdenken, wofür man dann auch zusätzliche Arbeitszeit aufwenden soll.
Sind wir nicht weit gekommen in unserem Heimatland. Du musst nur genügend Ordnungsverstöße begehen und die möglichst intensiv durchziehen, Gedächtnis-ausfall reklamieren, das ´ne Weile durchhalten, dann kriegst du den Hintern gepudert und andere müssen ihre Zeit und Nerven lassen, für den Mist, den nur du allein verbockt hast.
Einen Tag später gibt es den nächsten Fall für die voll im Leben stehenden Justitiare.
Ein anderer Jüngling filmt heimlich seinen Lehrer beim Unterricht, stellt es mit so netten Beleidigungen wie: „Der ist schwul!“ „Lutscht immer noch an den Titten seiner Mutter!“ und noch ähnlich gearteten Aussagen voller Dankbarkeit und Freude bei „You Tube“ ein.
Wollen wir uns mal nicht so anstellen, im Vergleich zum vorher geschilderten Fall sind das doch wahre Peanuts, Herr Juristenei oder?
Wenigstens hat dieser junge Lehrer Mumm oder „ ´n Arsch in der Hose“ wie die Jugendlichen so sagen und erstattet Anzeige. Auch die zuständige Kripoabteilung reagiert und holt den Schüler gleich mal morgens aus der Schule ab, bestaunt ´ne monströse Hightechanlage. Nun gut, dieser kleine Scherz muss gelöscht werden.
Wenn das man gutgeht! Das ist doch wirklich überzogen oder?
Und gerade ist mir wieder kotzübel, weiß gar nicht, woher das kommt. Kann nicht am Wochenende liegen, das begonnen hat.
Drei Tage später senkt sich erwartungsvolle Stille auf den Klassenraum herab. Bald hat dort jeder einen eigenen Garderobenhaken, so häufig wie wir hier antreten müssen.
Mit einer warm intonierten Frage, wir wollen ja nicht die Integrität des bis zum Schuldspruch Unschuldigen in Frage stellen: „Warum hast du das gemacht?“ und der von Tausenden von Jugendlichen wiedergekäuten Antwort: „Hatte Langeweile!“, nähern wir uns in Riesenschritten dem nächsten Freispruch. Hundebesitzer und Jogger und Radfahrer kennen das: „Der tut nix, der will nur spielen!“ und trotzdem fehlt dir danach ´n Stück vom Unterschenkel.
Nun, wer bis hierher gefolgt ist, kennt das Ende: Die Pädagogen beschließen den Schulverweis.
Und eine Woche später heißt es von der oberen Juristerei im triumphierenden Ton, als wenn da viele an Aphasie leiden und plötzlich die Fähigkeit der Sprache wieder finden: Das geht gar nicht. Der arme Junge muss bleiben. Kann jetzt die Begründung nicht schreiben, muss mal eben zur Toilettenschüssel.
Bin jetzt 61 Jahre alt, habe zwei Berufe und fast 40 Jahre in Erziehungsanstalten verbracht, als Pädagoge durchaus von den Kindern und Jugendlichen geachtet.
Geht mir los mit euren wöchentlichen neuen Säuen, die ihr durch die Städte treibt: Stadtteilschule, Gesamtschule, Regionalschule, Lernstuben, Wärmestuben, den Lernkonzepten, weißen oder dunklen Tafeln und der größte Brüller sind die Schulinspektoren! Das sind die, die kontrollieren, ob auch alles verschriftlicht ist. Wenn es nicht als Papier abgeheftet ist, ist es Schrott, wenn ja, sehr gut. Aber was davon umgesetzt wird, interessiert dann wirklich keine Sau. Hauptsache, es ist verschriftlicht. Hätte ja gern „verchristlicht“ geschrieben, geht ja nicht.
Ich bin nur eine winzige Sternschnuppe, ein zusammengesetztes Teil in unserer kosmischen Physiologie, die über meinen begrenzten Verstand hinausgeht. Aber so etwas wie Gerechtigkeitsgefühl und menschlicher Würde habe ich dann doch noch.
Ich schreibe dies auch nicht für eine meiner Töchter, die das Lehramt mit Begeisterung und wohl auch Berufung studiert, was mir heute schwerfällt zu begreifen.
Ich möchte die jungen Pädagogen unterstützen, die man jeden Tag an deutschen Schulen regelrecht verbrennt, sie allein lässt, voll lallt mit irgendwelchen Formalien, die angeblich wichtig sind.
Ich habe eine Menge von Kollegen und Kolleginnen in den letzten Jahren sehr früh sterben gesehen. Viele verlogene Worte von oben zum Abschied und die Todesanzeigen („Ist denn dafür überhaupt Geld da?“) an Wochentagen, wo die Anzeigenschaltung billiger ist. Zum Kotzen.
Ich blicke aus dem Fenster, die letzten Frühlingssonnenstrahlen heute. Ich sollte ´n Glas Roten trinken, mich dazu setzen. Und mich vielleicht für morgen krank melden.
Schade, habe leider sowieso frei.
Es langt!
„Und ich machte ihn - ganz ruhig und gelassen - auf seinen Schulordnungsverstoß aufmerksam.“
„Fick dich doch ins Knie!“, meinte er.
„Ach“, seiert der Lalljurist, „das Wort Ficken ist doch heute so gebräuchlich und keine Beleidigung mehr!“
Irrenhaus Schule, Teil 2
Donnerstag, 31. März 2011
Das freut mich dann doch sehr: Wenn man nur einem Menschen ein wenig helfen kann, ist es mehr als genug! B. aus A. schreibt:
Guten Morgen lieber Jens!
Ich bin grad aufgewacht und hab deinen Blog gelesen. Gleich hab ich ´nen Unterrichtsbesuch. Deine Worte haben mir irgendwie grad richtig geholfen, mit neuem Mut und ganz viel Kraft den Tag zu beginnen. Ich danke dir sehr dafür. Es fühlt sich gut an, zu wissen, dass das, was an unseren Schulen passiert, auch einen "alten Hasen" nicht einfach kalt lässt, so wie mich als Neuling. Und manchmal denk ich sogar, ich kann das alles gar nicht mehr fassen - und dann schreibst du mit wunderbarer Ironie, Sarkasmus und auch ein bisschen Witz und fasst es mit treffenden Worten zusammen. Danke dafür!
In diesem Sinne: Aufstehen, ein neuer Tag beginnt ;)
Liebe Grüße, hab´ ein schönes Wochenende!