Herzensplätze
Herzensplätze
Was liest man aus Namen heraus?
Sienknecht ist klar vorherbestimmt, vom Schicksal gezimmert ein Knecht, Arbeiter; Vater Hans und Sohn Jens später auch als Commis im Norden zum Einsatz gebracht.
Dünen werden durch auflandige Winde vom sandigen Strand herangeweht, stammen also aus dem Meer.
Verdammnis benennt die Schlechtigkeit, Straftaten, Ablehnung und Verurteilung.
Das „Dünenmeer“ ist ein wunderbares und herrlich gelegenes Hotel im Ostseebad Dierhagen, betrieben von der aufmerksamen und interessierten Gastgeberin Frau Lohmann und ihrem stets hilfsbereiten Ehemann, sowie dem immer freundlich- und achtsamen Dünenmeerteam.
„Verdammnis“ ist ein 751 Seiten Schwedenkrimi von Stieg Larsson, medial zur Zeit überpräsent. Den Erben, die sich um die Nachlasskohle erbittert streiten, sei es gegönnt. Verdammt noch mal.
Eine Woche zuvor fahren wir nach zweieinhalb Stunden durch die verschneite Winterlandschaft in die saubere Tiefgarage des Hotels, betreten die Eingangshalle, werden freundlich mit einem Glas Prosecco oder Sanddornsaft begrüßt und willkommen geheißen. Und hat sofort das Gefühl nicht nur eine Nummer zu sein, auf deren Euros man ganz heiß ist. Wir werden auf die Zimmer begleitet, auf den Betten liegt jeweils ein Apfel mit gelasertem Herzen, es steht eine Schale Obst mit Serviette und Messer, ein kleiner Beutel mit Keksen bereit. Auf der Anrichte eine Flasche Mineralwasser, im Kühlschrank liegen bei Bedarf noch drei weitere gekühlte.
Und: Kein ätzendes Schild, dass man dies Wasser für € 5,50 gern genießen kann. Klar, jeder weiß, dass dies im Preis irgendwie mit drin ist, aber es ist diese kleine Geste, die gut tut. Zumal so eine Pulle im Einkauf wohl kaum als mehr 35 Cent kostet.
Ein kurzer Gang durch den zum Teil kniehohen Schnee ans Meer, Milchkaffee und ein Riesenstück „Omas Apfelzimttorte“, Dampf – und Biosauna, ein paar Schwimmzüge, ruhen auf der in ausreichender (!) Anzahl vorhandenen und bequemen Liegen und siehe: Es gibt sogar richtige Wolldecken. Sehr angenehm. Auf einer Extrawohlfühletage über dem Schwimmbad liegt man mit unmittelbarem Meerblick. Alles sehr großzügig und gepflegt.
Sehr gutes Essen und wir schmausen abends erstmals direkt aus einem großen Parmesanlaib dort gewendete Spaghetti, mit schwarzem Trüffel bestreut. Göttlich! Sehr netter Koch, offenes Gesicht und Wesen. Kerzenschein und ´n schöner vino dazu, draußen schneit es seit Stunden ununterbrochen. Bizarre Bilder im Kunstlicht.
Eine Woche später fahren wir die B 73 von Buxtehude nach Hamburg-Harburg. Immer noch Minusgrade, vereiste und dreckige Geh – und Radwege, schlimmer denn je. Über 20 km vorbei links an LIDL, dann rechts ALDI, abwechselnd folgen MATRATZEN-OUTLET, JET, MAX BAHR, HOL AB GETRÄNKE, ESSO, MC DONALDS, STAR, CAR WASH (american), BURGER KING, CLEAN WASH und dann geht es wieder von vorn los.
Wir essen im knallvollen BLOCKHOUSE eine Kleinigkeit, wo die Tische so eng gestellt sind, dass man beim Aufstehen durchaus dem Nachbarn den Hintern auf den Teller legen kann (kommt auf die Körperausmaße an). Es ist laut und hektisch. Einfahrt in die Tiefgarage beim CINEMAX, dreckig und Wasserpfützen, manche knöcheltief. Samstagabends und ´n kleiner Kulturgenuss.
Samstag, 30.01.2010
40 cm Neuschnee, sturmgepeitschte Ostsee, auch das „Dünenmeer“ zunächst abgeschnitten. Schneeverwehungen, Zugausfall, Straßensperrungen, nur wenig Personal vor Ort. Dennoch gelassenes und souveränes Handeln der Verantwortlichen. Frau Lohmann beruhigt uns, denn unsere 6 Kinder wollen mit dem Zug kommen, stecken aber hinter Schwerin stundenlang fest. Sie informiert uns durchgehend über Neuigkeiten via Internet oder Telefon und sichert uns zu, dass ihr Mann die Kinder auch mit dem Kleinbus aus Rostock abholt, so denn überhaupt noch ein Zug fährt. Mehr als nur nette Gesten, echtes Bemühen. Um 14 Uhr erste blaue Himmelsstreifen, Spaziergang am Strand und zurück durch den verschneiten Winterwald, um 18 Uhr ist alles gut. Bis 21 Uhr Wellness, kredenzt mit einem Sekt auf der Liege. Liebevoll gedeckter Tisch, das Menu je nach Wunsch, für mich Geflügelkraftbrühe für die angespannte Tagesseele – was denn sonst. Um Mitternacht auf Jensens 60. das Glas erhoben.
Samstag, 06.02.
„Verdammnis“ ist im Kino angelaufen.
Der Journalist Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander wollen jetzt den Mädchenhandel aufdecken. Aber bevor wir dabei sein dürfen, steigen wir über einen versifften Teppich voller Popcornkrümel und nebst dazu gehörendem Geruch hoch in den Saal (!) Nr. 5, der um diese Zeit (20.30 Uhr) nur noch eins ist: verdreckt. Neben uns sitzt eine dicke Frau, die sich pausenlos diesen Abfall aus der Tüte reinstopft und mit Bier nachspült. Beides bleibt nachher zurück wie der Müll von zig Anderen auch noch. Dann gibt es Werbung und Trailer für andere neue Filme (einer wird gleich doppelt gezeigt) in großer Lautstärke, eine Zumutung, eigentlich wollen wir nur eine Buchverfilmung sehen und haben dafür Geld gezahlt. Wenn ich eine neue Van Morrison Platte kaufe, will ich ja auch nicht noch vorher 30 Minuten Ausschnitte von anderen Neuerscheinungen hören, die mich einen Dreck interessieren. Als wir um 1 Uhr wieder im Haus sind und noch ein wenig erzählen, wundern wir uns erneut, dass wir uns so etwas immer noch antun und gefallen lassen. Schön blöd.
Schwacher Film, der Erstling „Verblendung“ hat wenigstens noch eine Geschichte, die gut erzählt ist. Dies sind hier aneinandergeklebte Szenen, ohne zwingenden Plot. Vieles bleibt undurchsichtig, ist nicht stringent. Gibt ´n ganzen Schwung besserer Schwedenkrimis. Und: Braucht IKEA wirklich noch soviel Werbung, wenn sich Lisbeth, unsere Autistin mit dem Asperger-Syndrom, ihre Luxuswohnung bestückt?
Sonntag, 31.01. 2010
Jensens 60. im „Dünenmeer“, lustiger „Aqua-fit“ 8 Uhr-Morgenspaß mit fast der gesamten Familienmannschaft, vor unserer Zimmertür steht ein Servierwagen mit einer Flasche Schampus auf Eis, dazu einige funkelnde Teelichter.
Für alle ein Glas Sekt auf diesen Tag, Frau Lohmann stiftet diesem besonderen Ereignis einen Gutschein für eine Übernachtung, hat die neuesten Ausdrucke über Bahnverbindungen dabei. Richtig fürsorglich. Ein Teil der Kinder wird dann mittags wieder kostenlos bis nach Rostock gebracht.
Ein SektSechzigster, abends Sellerie-Proseccosuppe mit Sirupapfel, lecker gebratenen Schweinelendchen mit Perlgraupenrisotto und Eierlikör-Parfait mit Rotwein(! Hallo Gabi, von wegen mangelnde Geschmacksnerven!)-Zwetschgen.
Und für die Seele noch einmal die Dekoration: Über dem Tisch von der Decke hängende Rosen, auf den Tellern ausgehöhlte Limonen mit gesteckten Rosen.
Zwischendurch noch ein Proseccoparfaitgruß aus der Küche – ist schließlich ´n besonderer Tag. Stimmt. Um 23.30 Uhr noch ´n Männerabsacker im Kaminzimmer. Gegen 0.30 Uhr selig und voller Glück ins Bett, der Frau zugeflüstert, dass sie das Beste ist, was mir im Leben passiert ist.
Und die Entscheidung im „Dünenmeer“ diesen besonderen Tag im Kreise der Kinder und besten Freunden zu verbringen, fast genauso gut ist.
Dieses Hotel ist jeden Cent wert. Hoffen wir, dass es so bleibt.
Sonntag, 07.02.2010
Selbstgebackene Morgenbrötchen, Minusgrade draußen, Rotkehlchen hüpft, ach, jetzt im „Dünenmeer“, ja ...
Schneestrand, die Dünen und das Meer
Fischland: Vom „Dünenmeer“ zur „Verdammnis“
Sonntag, 7. Februar 2010